Rebschnitt. Der wichtigste Arbeitsschritt im Winzerjahr.

Rebschnitt

Mein Name ist Georg und ich bin der zweite von vier Söhnen einer seit 1703 traditionsreichen Winzerfamilie.

Und das ist der Beginn meines Blogs. Der Beginn des Winzerjahres. Der Beginn der Erziehung. Keine Angst, es ist nicht der nächste Erziehungsratgeber für Kinder.
Es geht um die Reberziehung!
Ja, auch unser Wein gehört erzogen.
Der Rebschnitt ist der wichtigste Arbeitsschritt im Winzerjahr!
Ich bin vor kurzem Vater geworden und wie ich immer sag “Bei Kindern kann man mit “Bitte” und “Danke” oder “Griaß di” und “Pfiat di” nicht früh genug anfangen. So muss man auch den Wein von klein auf erziehen.
Wir haben 70.000 Weinstöcke zwischen 0 – 65 Jahren. Wir kennen jeden persönlich. Jeder einzelne wird von uns gehegt, gepflegt, geschnitten!
Jeder einzelne erzogen.
Nicht jeder folgt – wie die Kinder halt.
Mein Großvater hat uns 4 Brüdern schon beigebracht“Passts beim Schneiden auf! Beim ersten Schnitt vom Stock miassts wissen wie der ganze Weingoarten in 50 Joa ausschauen soll!”
Als kleiner Bub hab ich das nicht verstanden. Wie soll das gehen?
Und zur kompletten Verwirrung meinerseits hat mein Vater noch ergänzt “Der Wein wochst im Kopf! Bevor der Rebschnitt anfongt miassts scho wissen wie der Wein nächstes Joa schmecken soll.”
Wie kann ich in meinem Kopf die Menge der Weintrauben bestimmen, die wachsen werden oder den Geschmack oder die Süße oder oder oder …

Meine Brüder und ich haben immer nur gelacht. Wir fanden das verwirrend, aber sehr faszinierend.
30 Jahre später weiß ich, die Vorgängergeneration hat gute Erziehungsarbeit geleistet.
Bei uns und beim Wein.
Mein Vater Fritz und mein Bruder Andreas – die Kellermeister in der Familie – haben den Wein vom nächsten Jahr schon im Kopf.

Heute ist es wieder soweit!

Nach dem ersten Frost ist der richtige Zeitpunkt um mit dem Rebschnitt zu beginnen. Unsere Reben gehen in Winterruhe. Der Saftfluss in den Rebstöcken kommt nahezu zum Erliegen. Die Rebe nutzt nur die Reserven, die sie über das Jahr gesammelt hat, um zu überwintern.

Wir entfernen die alten Triebe und lassen die Knospen stehen, die den neuen Jahrgang bringen sollen. Aus jeder stehengebliebenen Knospe (Auge) entsteht im Frühjahr ein neuer Trieb, der wiederum bis zu drei Trauben tragen wird. Wir gehen dabei sehr behutsam vor. Sorgsam wählen wir die Knospen aus. Der traditionelle Schnitt von Hand ist uns hier ein besonderes Anliegen. Maschinelle Unterstützung beim Rebschnitt würde den Rebstöcken unnötig große Wunden zufügen und sich negativ auf die Vitalität und die Gesundheit unserer Reben auswirken. Da bleiben wir lieber bei der Handarbeit. Es dauert zwar länger, aber wer kann schon behaupten, dass er jeden Weinstock persönlich kennt und so individuell auf jeden einzelnen eingehen kann.






Wir lieben diese Arbeit!

Bei Minusgraden entwickelt sich das Schneiden fast zu einer meditativen Arbeit. Sind die ersten Stöcke erledigt, läuft der Schnitt fast automatisiert ab. Ab und zu kommen aus dem Nichts ein paar Weisheiten aus Vaters Mund. “Ein guater Rebschnitt bringt die gsunden Trauben mit ana hohen Qualität.” Pause.Schnitt.Schnitt. “Gleichmäßige Erträge jedes Joa” Pause.Schnitt.Schnitt. “Schont sogoa die Umwelt. – Naa Andreas, den schneidst weida unten! Wiast scho segn nächstes Joa!” sagt er dann.

Man lernt nie aus.

Vom Rebschnitt hängt schließlich nicht nur der kommende Jahrgang, sondern auch die Zukunft des Rebstocks und somit die Zukunft unseres ganzen Weinguts ab! Über die Jahre weiß man auf den ersten Blick, welche Schnitte zu setzen sind. Man weiß doch wie man seinen Kindern für die Zukunft Gutes tut. Erziehung, Vertrauen und Raum zur freien Entfaltung. Das geben wir ihnen.

So vergehen die kurzen Wintertage wie im Flug. Und am Abend? Ab in den Keller den letzten Jahrgang verkosten …

… ich kann euch schon verraten: beim letztjährigen Schneiden hatten wir einen richtig guten Wein im Kopf!

Na dann – Wer Tipps für den Rebschnitt zu Hause braucht, einfach melden …